Weisung gestützt auf Art. 273 Abs. 2 ZGB setzt behördliche Regelung des persönlichen Verkehrs voraus

4/7/24
Familienrecht

Sachverhalt

Vater und Mutter sind die unverheirateten Eltern eines 2012 geborenen Sohnes, der unter der alleinigen elterlichen Sorge der Mutter steht. Der Vater wurde wegen schwerer Sexualdelikte, unter anderem wegen der Vergewaltigung der Halbschwester des Sohnes (geb. 2001), verurteilt und befindet sich im Strafvollzug.

Ende2021 beantragte der Vater eine Kontaktaufnahme mit seinem Sohn. Daraufhin wies die KESB die Mutter mit Entscheid vom Oktober 2022 unter anderem an, ihren Sohn durch die Kinder- und Jugendpsychiatrie über seinen Vater aufklären zu lassen. Gegen diesen Entscheid erhob die Mutter Beschwerde beim Kantonsgericht Basel-Landschaft, welche im März 2023 abgewiesen wurde. Im Mai 2023 erhob die Mutter Beschwerde ans Bundesgericht. Sie hielt unter anderem fest, dass es dem Wohl des zehnjährigen Sohnes nicht diene, wenn er im heutigen Zeitpunkt die Details oder auch nur die Umstände der Straftaten seines Vaters kenne. Das Bundesgericht hiess die Beschwerde im November 2023 gut, hob die KESB-Weisung auf und wies den Entscheid zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück.

Erwägungen des Bundesgerichts

Das Bundesgericht hält in seinem Entscheid fest, dass Art. 273 Abs. 2 ZGB (auf welchen die KESB ihre Weisung stützte) an den persönlichen Verkehr anknüpft und diesbezüglich das Vorliegen einer behördlichen Regelung voraussetzt. Solange über den Anspruch auf persönlichen Verkehr nicht entschieden worden ist, liegt die Zuständigkeit und Verantwortung für den persönlichen Verkehr mit dem anderen Elternteil beim Inhaber der elterlichen Sorge oder Obhut und nicht beider KESB. Vorliegend sei die KESB daher nicht befugt gewesen, der Mutter die Weisung gestützt auf Art. 273 Abs. 2 ZGB zu erteilen.

Ferner prüfte das Bundesgericht, ob die Weisung gestützt auf Art. 307 Abs. 3 ZGB zulässig gewesen wäre. Eine solche Weisung setzt voraus, dass das Wohl des Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht von sich aus für Abhilfe sorgen odersorgen können. Das Bundesgericht hält in diesem Zusammenhang fest, die Vorinstanz habe den Tatbestand (Gefährdung des Kindeswohls als Voraussetzung für ein behördliches Einschreiten) und die Rechtsfolge (Massnahme, mit der die KESB auf eine Gefährdungslage reagiert) durcheinandergebracht. Sie habe geprüft, ob die Weisung eine Kindeswohlgefährdung darstelle, statt zu prüfen, inwiefern das Wohl des Sohnes gefährdet wäre, wenn es beim Status quo bliebe. Gemäss Bundesgericht hätte insbesondere geprüft werden müssen, ob der im Urteilszeitpunkt zehnjährige Sohn bereits die Reife erlangt habe, die eine Konfrontation mit den Gründen für die Inhaftierung des Vaters und eine Auseinandersetzung mit diesen Fakten voraussetzen würde. Solange dies nicht der Fall sei, könne ein Verzicht auf die Aufklärung ohnehin nicht als Kindeswohlgefährdung erscheinen.

Quelle: Urteil des Bundesgerichts 5A_375/2023 vom 21. November 2023 (zur Publikation vorgesehen)

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