Sachverhalt
Die Eheleute haben 1999 geheiratet und sich 2010 getrennt. Damals war die Ehefrau 44 Jahre alt. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen, Jahrgang 1999, 2002 und 2003. Die Ehefrau hat die Kinder betreut und dafür ihre Erwerbstätigkeit aufgegeben. 2016 haben sich die Eheleute scheiden lassen. Die Kinder wurden der Ehefrau zugeteilt, der Ehemann musste Unterhalt für die Kinder und für die Ehefrau zahlen, und zwar bis er pensioniert wird. Dagegen gelangte der Ehemann im 2018 ans Bundesgericht.
Erwägungen
Das Bundesgericht sagt, dass grundsätzlich jede Person für ihren eigenen Lebensunterhalt sorgen muss. Daraus folgt die Pflicht, eine Arbeit entweder neu aufzunehmen oder eine bestehende Tätigkeit auszudehnen. Ein Unterhaltsbeitrag des geschiedenen Ehegatten gebe es nur, wenn man selbst den eigenen Unterhalt nicht decken kann. Diese könne der Fall sein, wenn gemeinsame Kinder zu betreuen sind. Die frühere, während Jahren geltende Regelung, wonach man auch keine Arbeit suchen muss, wenn man bei der Trennung bereits 45 Jahre alt ist, hat das Bundesgericht mit diesem Entscheid über Bord geworfen.
Das Bundesgericht erklärt weiter, man könne sich nach der Scheidung nicht auf die während der Ehe gelebte Aufgabenteilung verlassen. Die Scheidung stelle eine Zäsur dar, mit der sich die Verhältnisse ändern und man sich nicht mehr auf die frühere Aufgabenteilung berufen könne. Anders sei dies, wenn man noch gemeinsame Kinder betreuen müsste. Doch selbst dann werde erwartet, dass man seine Arbeitstätigkeit mit zunehmendem Alter der Kinder wieder aufnimmt und ausdehnt. Dies müsse umso mehr gelten, wenn die Ehe kinderlos geblieben ist.
Wie die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt nach jahre-,wenn nicht sogar jahrzehntelanger Abwesenheit funktionieren soll, gibt das Bundesgericht auch gleich bekannt: Man könne das grosse und vielfältige Aus-,Um- und Weiterbildungsangebot in der Schweiz nutzen. Bis man sich sowohl innerlich neu gefunden als auch eine neue Stelle gefunden hat, kann aber es eine Zeit dauern. Dies wird mit Übergangsfristen beachtet, in denen der andere Ehegatte den eigenen Unterhalt finanziert. Doch danach ist bald einmal Schluss, es handelt sich immerhin um eine Übergangsfrist, die den Übergang zur wirtschaftlichen Selbständigkeit ermöglichen, nicht aber die nacheheliche Solidarität über Gebühr ausreizen soll.
Ausnahmen davon sind aber denkbar. Das Bundesgericht nennt zwei: Wenn man kurz vor der Pensionierung steht oder man jahrzehntelang dem anderen den Rücken freigehalten und sich um die Kinder gekümmert hat, sodass dieser Karriere machen konnte und nun so viel Geld verdient, dass es auch für zwei Haushalte reicht.
Im vorliegenden Fall lag für das Bundesgericht aber keine Ausnahme vor. Die Ehefrau hatte zwar Ende der 1990er-Jahre Informatik studiert und hernach die Kinderbetreuung übernommen, sodass ihr Wissen veraltet und auch sie selbst zu alt für eine Weiterbildung war (zum Zeitpunkt des Entscheids immerhin 55 Jahre). Doch, so das Bundesgericht, sei eine Tätigkeit im Gastgewerbe oder im Detailhandel denkbar, auch Pflegekräfte seien momentan sehr gesucht. Eine entsprechende Kurzausbildung in der Pflege dauere beim Schweizerischen Roten Kreuz nur 4 Monate. Im Ergebnis sah es das Bundesgericht als zumutbar an, die Ehefrau wieder ins Erwerbsleben zu schicken und den Ehemann aus der Unterhaltspflicht zu entlassen.
Quelle: Urteil des Bundesgerichts 5A_104/2018 vom 2. Februar 2021, zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehen